Die neue Lust am Handgeschriebenen
Veröffentlicht am 12.06.2017Vor ein paar Jahren kamen viele Studenten einer Hamburger Kunstakademie recht lustlos in den Unterricht der Kalligraphin Kerstin Carbow. Kunstvoll schreiben lernen im Zeitalter von Smartphones, Touch-Screens, Voice-Notes und Email, wozu?
Vor ein paar Jahren kamen viele Studenten einer Hamburger Kunstakademie recht lustlos in den Unterricht der Kalligraphin Kerstin Carbow. Kunstvoll schreiben lernen im Zeitalter von Smartphones, Touch-Screens, Voice-Notes und Email, wozu? Heute, sagt die 52-Jährige, die auch als Illustratorin und Malerin arbeitet, ziehe es immer mehr Menschen freiwillig in ihre Seminare und Workshops. „Die meisten wollen lernen, sich selbst auszudrücken und ihre Gedanken oder Gefühle mit einer schönen Schrift sichtbar zu machen.“
Malbücher für Erwachsene, Zendoodling (das Zeichnen von sich wiederholenden, kunstvoll verschnörkelten Designs) und Lettering (das künstlerische Buchstabenzeichnen) boomen. Kerstin Carbow, eine der letzten Schülerinnen des berühmten Schriftkünstlers Martin Andersch, hat dafür eine einfache Erklärung: „Das Bewusstsein wächst, dass wir für Kopf und Herz mehr brauchen als Effizienz, Schnelligkeit und modernste Technik, die das Leben zwar stark vereinfacht, aber auch unkreativer gemacht hat. Zu schreiben oder zu malen bringt mit sich, dass man sich auf sein Inneres konzentriert, dass man zu sich kommt und ganz ruhig wird.“ Die Renaissance der Handschrift zeigt noch etwas anderes. Kontakte mit WhatsApp-Nachrichten zu pflegen, Giphys statt Glückwunschkarten zu verschicken ist vielen auf Dauer einfach nicht genug. Zwischenmenschliche Beziehungen brauchen auch besondere Gesten der Wertschätzung und Verbindlichkeit. Mit einer handgeschriebenen Notiz zeigt man, dass man dem anderen eine Freude bereiten möchte und sich mehr Zeit für ihn genommen hat. „Schreiben ist ein Mittel, um das Schöne zu zelebrieren“, resümiert Kalligraphin Kerstin Carbow.
Autorin: Jurate Baronas